Italien - Mamma mia!

Aktualisiert am: 17. Mai 2022

 

 

Am Valentinstag überqueren wir auf der Küstenautobahn die Grenze von Frankreich nach Italien. Das Wetter zeigt sich dabei allerdings von seiner unromantischen Seite. Es regnet, der Himmel kommt wolkenverhangen und düster daher. Wir wollen ein bisschen Strecke machen, um zu pünktlich zu einem Schönwettertag bei den Cinque Terre zu sein. In Südfrankreich sah die Vegetation schon frühlingshaft aus, hier dagegen nur winterlich grau-braunes Gestrüpp und die Berge bilden eine finstere Kulisse. Alles wirkt fahl und dunkel. Hm, wieder umdrehen? Für ein muddeliges Winterbild wie in Deutschland brauchen wir nicht herzukommen… Na, wir schauen mal… Wenigstens hat eine Raststätte eine erstaunlich saubere und heiße Trucker-Dusche für uns.

 

Für eine Zwischenübernachtung finden wir einen Parkplatz, der zwar nahe der Autobahn liegt, aber dennoch erstaunlich ruhig ist. Und bei den eimerweise herabfallenden Regenmengen, der Kälte und der wie üblich mangelnden Motivation zu kochen, probieren wir zum Einstand in das neue Land auf unserer Route lieber das in Sichtweite liegende Restaurant aus. Die Einrichtung fällt mit etwas zu heller Beleuchtung und plüschigen, gerafften Vorhängen irgendwie typisch aus, aber dafür sind die Besitzer umso herzlicher und sehr bemüht, dass man alles hat und es einem gut geht. Die Tagliatelle mit Pilzen sind wirklich richtig lecker gemacht und haben bei ganz wenig Zutaten richtig viel Geschmack. Das klappt doch schonmal ganz prima hier! Ebenso klappt das mit der Bestätigung des Klischees, das der Italiener an sich die Nummer mit dem Drama ganz gut drauf hat. Jedenfalls werden wir Zeuge, wie eine ziemlich aufgebrachte Dame wie aus dem Nichts beim Tisch eines Paares auftaucht, dem verdattert dreinschauenden Herrn eine Backpfeife schallert und ihm ganz filmreif auch noch das Glas Wein ins Gesicht und über den Pulli schüttet. Das Ganze begleitet natürlich mit einer lautstarken Schimpftirade, um dann wutschnaubend aus dem Raum zu stürmen. Alle Gäste des vollbesetzten Restaurants halten kurz in ihren Gesprächen inne, es ist ganz still. Das betroffene Paar guckt etwas betreten, aber dann eilt Signore hinter seiner Madame hinterher, um zu schlichten. „Es ist nicht das, wonach es aussieht!“, oder was kommt da jetzt? Und ob es sich bei der Blonden am Tisch nun um seine Geliebte handelt und das wütende braunhaarige Wesen, das sie da beim Valentinsdinner gestört hat, seine Frau ist oder umgekehrt, lässt sich nicht wirklich abschließend beurteilen. Aber die Spekulation macht natürlich trotzdem Spaß…

Wenn der erste Abend schon mit Showeinlage beginnt, dann sind wir doch mal neugierig, was das Land sonst noch so zu bieten hat!

 

Das Angebot fällt zunächst weiter winterlich aus. Bei Tageslicht fällt nicht nur auf, dass der Parkplatz auf einmal proppevoll ist, obwohl wir hier gestern Abend nur von zwei Autos umgeben waren, sondern dass im Hintergrund sogar die nahegelegenen Berge schneebedeckt sind. Die Wolken bleiben weiter bockig am Himmel hängen und die Temperaturen sind arschkalt. Ich denke nochmal an die Kirschblüten in Arles Anfang Februar und frage mich, ob wir hier wirklich richtig abgebogen sind…

 

 

Auch bei der Anfahrt zum NATIONALPARK CINQUE TERRE, bei dem sich fünf malerisch gelegene, farbenfrohe Dörfer an die ligurische Steilküste kuscheln, verschwimmen noch manche Häuser vor der verregneten Scheibe, aber es wird besser und man kann schon hier und da wieder bis zur Küste hinuntersehen.

 

 

Wir bleiben für die Übernachtung in den Anhöhen um MONTEROSSO AL MARE - dem westlichsten und größten dieser Örtchen - und laufen erstmal hinunter. Meine Güte, ist das steil! Dazu noch die vom Regen glitschigen Steine, aber dafür gibt’s zur Belohnung kerzenwachsähnlich harzende Bäume, voll behangene Zitronenbäume, ein gemütliches Dorf und eine hübsche Küste zu bestaunen. In den Gassen gibt das einheimische Leben eine schöne Atmosphäre, da hier natürlich jeder jeden kennt und scheinbar auch erstmal mit jedem schnacken muss. Und obwohl es noch so frisch ist, sitzen sie trotzdem gern draußen und trinken sogar noch was Kaltes. Buuuaah!

 

 

Am nächsten Morgen überrascht der Blick aus dem Fenster: Die Sonne lacht, kein Wölkchen in Sicht. Passend zu unserem Vorhaben, die Cinque Terre heute alle zu besuchen, legt sich das Wetter heute richtig ins Zeug. Im Gegensatz zum gestern noch extra studierten Bahnfahrplan, fährt der alle Dörfer verbindende Zug nicht alle 20 Minuten, sondern nur alle Stunde. Da wir den einen doch nicht pünktlich erreicht haben, wollen wir nun aber auch keine Stunde auf den nächsten warten, sondern nehmen einfach den Küstenwanderweg ins nächste Dorf. 3 km, das sollte ja machbar sein. Ja, ist es auch, aber man sollte definitif das Ding umbenennen, da der Begriff „Küstenwanderweg“ nahe legt, dass man auch entsprechend an der Steilküste entlanggeht. Dem ist so gut wie nie so, denn lieber führt einen der Weg vom Wasser weg über einfach nicht enden wollende Treppen am steilsten Part über einen Olivenhain und sonstige Bergformationen. Einen Meerblick hat man nur selten. Und so richtig viel Zeit, sich umzusehen hat man auch nicht, da der Weg so schmal ist, dass man lieber zusieht, wo man seine Füße hinsetzt, sonst saust man mal eben den steilen Hang runter. Mit schmal und steinig habe ich noch überhaupt gar kein Problem. Ich frage mich nur mal wieder, wie das im Sommer mit den Massen funktionieren soll. An den meisten Passagen hat man nur für sich alleine Platz. Wo soll man sich denn da an den ganzen entgegenkommenden Horden vorbeischieben. Jetzt im Winter haben wir den Weg meist für uns allein und müssen auch nichts dafür bezahlen. In den Texten, die ich vorher über diese Gegend gelesen habe, stand nur leider nichts über diese unsägliche Häufung von Treppen. Und alles das, was wir nach oben erklommen haben, müssen wir natürlich auch auf der anderen Seite wieder runter. Mamma mia! Wir sind einfach in keiner Hinsicht für Berge und deren Spirenzchen gemacht. Echt nicht!

 

Mit jetzt schon müden Beinen erreichen wir VERNAZZA. Der Blick darauf vom Wanderweg aus ist aber wenigstens sehr schön und auch die farbenfrohen Gassen und das Sitzen am Meer mit der wärmenden Sonne entschädigen durchaus schon wieder für die Mühen.

 

 

Mittag essen wir hier auch noch, dann nehmen wir diesmal den Zug zum nächsten Dorf CORNIGLIA bzw. zu dessen Bahnhof, denn das Dorf liegt ein gutes Stück hoch über der Küste und kann nur - Überraschung - über jede Menge Stufen oder eine sich windende Straße erreicht werden. Wir gehen lieber die Straße. Oben angekommen ist das Dorf zwar ganz nett, aber der Stopp hier hat sich aus unserer Sicht nicht wirklich gelohnt. Der Ort strahlt irgendwie nichts aus. Aber das ist nur unsere Meinung, andere mögen ihn. Von hier aus sieht man auch schon das nächste Dorf.

 

 

MANAROLA gibt irgendwie mehr her. Auch hier wieder nur 2 Minuten Zugfahrt statt 1 1/2 Stunden Wanderung. Das lohnt doch mal die 2 € pro Nase. Hier schlecken wir lecker zubereitetes Zitroneneis und genießen dabei die Aussicht auf die bunte Häuseransammlung am Meer.

 

 

Eins haben wir noch: RIOMAGGIORE. Auch wenn sich das Prinzip „buntes Dorf an Steilküste“ auch hier wiederholt, hat doch jedes seinen eigenen Charakter. Dieses besticht durch seinen kleinen Hafen, der wie ein Einschnitt in die Häuserreihen wirkt. Die tief stehende Sonne lässt die Farben alle noch mehr leuchten. Da haben wir doch echt Glück gehabt heute mit dem Wetter, obwohl der Februar als der ungünstigste Monat für diese Gegend beschrieben wird. Nur die Tatsache, das der Zug zwischen den Cinque Terre immer nur alle Stunde fährt bei gleichzeitig kurzem winterlichen Tageslicht, lässt das Ganze manchmal etwas stressig werden, denn eine 20-Minuten-Taktung würde den jeweiligen Aufenthalten mehr Flexibilität geben. Aber sei’s drum, wir haben gerade das Privileg, diese Orte ohne Massen zu sehen, da nehme ich doch lieber eine seltenere Nebensaison-Zugtaktung in Kauf.

 

 

Zum Sonnenuntergang steigen wir nochmal in VERNAZZA aus, um die letzten Strahlen über dem Ort mit dem markanten Türmchen untergehen zu sehen. Wie schön! Aber kaum ist das Licht verbasst, wird es auch schon wieder winterlich kalt.
Zurück in Monterosso sind wir doch feddich, da nicht nur der Wanderweg, sondern auch noch jedes Dorf einiges an Stufen zu bieten hatte und fallen dementsprechend müde auf unser gemütliches Sofa bei Jumpy. Und als ich jetzt nochmal Infos zum angeblichen "Küsten"wanderweg recherchiere, finde ich auf einmal nur noch Texte, die unsere gelaufene Etappe als sehr treppenlastig und beschwerlich beschreiben…


 

Der nächste Morgen zeigt sich wieder dick bewölkt und wir sind happy, dass das gestern pünktlich zu unserem Ausflug so gut geklappt hat mit dem schönen Wetter. Als nächstes Ziel lockt uns Parma mit seinem gleichnamigen Schinken und Parmesankäse. Wir verlassen dafür die gebirgige Küste und begeben uns dann irgendwann auf die Autobahn, um dem schlimmsten Gekrüddel zu entgehen. Es sind wieder viele Tunnel zu durchfahren. Vor dem einen hängt auch noch eine dicke Wolkensuppe, aber am Ende des Tunnels leuchtet da ein warmes Licht. Erst verstehen wir es gar nicht, aber das ist die Sonne! Hier auf der anderen Seite herrscht bestes Wetter mit strahlend blauem Himmel. Das ist ja lustig. Bleibt alles hinterm Berg hängen. Komplette Wetteränderung in 2 Minuten. Doll!

In PARMA begeben wir uns auf einen Hof, der die dort angelieferten rohen Schinken reifen lässt. Wir dürfen uns dort mit Jumpy hinstellen und treffen auf ein junges Paar, das auch immer mal wieder zwischendurch längere Zeit unterwegs und derzeit auf dem Weg nach Sizilien ist, um dort bei einem Permakultur-Bauern für eine Weile mitzuarbeiten. Es ist schön, mal wieder mit Leuten zu plaudern, die ebenso eine Langzeit-Reisemotivation haben und die v.a. diese Plauderei ebenso schätzen. Sie bestätigen unsere Wahrnehmung, dass in Europa kaum ein Reisender groß am anderen interessiert ist und die meisten sehr maulfaul sind.

Wir lassen uns die Gelegenheit nicht entgehen, uns einmal die Besonderheiten des Parmaschinkens erklären zu lassen, vom ausgewählten, ausschließlich pflanzlichem Futter, den Haltungsbedingungen mit angeblich mehr Platz und den verschiedenen Behandlungsstufen des rohen Schinkens bis hin zum mindestens 20 Monate gereiften Exemplar mit Parma-Krönchen, sofern der Meister sein Geschmacks-OK gibt. Früher war die Gegend optimal für die Reifung des Fleisches durch die trockenen, aus den Bergen kommenden Fallwinde und es wurde immer nur im Dezember geschlachtet, damit es auch wirklich kalt genug für die Anfangsreifung war. Heute wäre dies mit dem Klimawandel nicht mehr möglich, so eine regelmäßige jahreszeitliche Temperaturentwicklung zu haben. Und mit den modernen Belüftungs- und Temperaturregelungssystemen ist es natürlich auch nicht mehr nötig, sich daran auszurichten, sondern es wird das ganze Jahr über angeliefert.
Anschließend bekommen wir je noch einen Teller voll mit den Ergebnissen zum Probieren. Nussig und zart!

 

 

Man könnte in der Gegend natürlich auch noch sehen, wie die spezielle Herstellung des Parmesans vonstatten geht oder die des Balsamico-Essigs im benachbarten Städtchen Modena. Aber wir belassen es mal bei dieser einen Besichtigung und fahren weiter. Von einem alten Schinken zum nächsten, denn da wir nun in die Po-Ebene gelangen, kommt Torben die Frage auf, wo eigentlich die alten Don Camillo-Filme gedreht wurden, das war doch auch in dieser Umgebung. Die Antwort lautet BRESCELLO. Und putzigerweise liegt das gar nicht weit weg, sondern wir können das heute gut auf der Strecke nach Venedig mit einbauen. Die Landschaft und auch das milchig-dunstige, fast schon mit einem Farbton à la Sepia eingefärbte Licht, dazu noch die winterliche Kargheit, das alles wirkt schon genau wie in dieser Filmreihe aus den 50er Jahren, in der Pfarrer Don Camillo sich mit dem Dorfpolitiker Peppone ständig über die jeweiligen Ideologien streiten. Allgemein alte Schwarz-Weiß-Filme zu sehen, fanden wir früher als Kind immer ganz gemütlich und haben die auch sonst in Hamburg gern ab und zu zusammen geguckt.

In Brescello jedenfalls dreht sich auch noch 70 Jahre später alles um diese Streifen. Überall sieht man Bilder von den beiden Streithähnen hängen, alle Kneipen, Restaurants, Kioske, etc. heißen irgendwas mit Don Camillo und/ oder Peppone, es gibt mehrere Souvenirläden nur mit diesen Motiven. Sogar 3 kleine Museen beschäftigen sich damit, alte Filmplakate, Making-of-Szenen, Fotos vom Dreh u.ä. zu zeigen. Eine Lok sowie ein Panzer, die mal Requisite waren, stehen auch noch im Ort. Und die Kirche als Camillos Wirkungsstätte gibt’s ebenfalls. Davor wurden sogar Statuen der Protagonisten aufgestellt. Wahnsinn! Das alles wegen 5 Filmen, die vor einer Ewigkeit gedreht wurden! Abgedreht, sozusagen! Das Ganze verfehlt seine Wirkung jedenfalls nicht und wir fühlen uns ein bisschen in eine andere Zeit oder eine alte Filmkulisse hineinversetzt.

 

 

Der in der Nähe fließende Po - der mit einer Überschwemmung Teil eines der Episoden ist - zieht sich bei dem mittlerweile bleidernd wirkenden Grau am Himmel wie ein silbernes Band durch die Landschaft. Überhaupt sieht alles jetzt richtig schwarz-weiß aus, ohne warmen Sepia-Ton dabei. Hohe Bäume wirken gegen den Himmel wie schwarze Reisigbesen und merkwürdig akkorat gepflanzte Baumreihen halten ebenso akkorat geradlinig eine Nebelbank fest. Das wirkt alles etwas verloren, hat aber trotzdem eine schöne Stimmung.


Der Ort bietet Campern sogar kostenlos die Möglichkeit, auf einem Parkplatz zu übernachten. Das nehmen wir gern in Anspruch.

 

 

Auch auf dem Weg zu unserem nächsten Kapitel Venedig bleibt der Eindruck, weiter in der Filmkulisse unterwegs zu sein, denn heute sind sowohl Dunst, als auch das Sepia-Licht wieder zurück. Und die weite, flache Landschaft der PO-EBENE trägt ihr Übriges dazu bei.

Was wir etwas merkwürdig finden, sind die erstaunlich stark begrenzten Geschwindigkeiten, die man in diesem Land bloß fahren darf. Man soll Tempolimits einhalten, die ständig 20-40 km/h unter dem liegen, was für die Beschaffenheit der jeweiligen Landstraße angemessen wäre. Und hat man endlich mal die Möglichkeit, auf einer 4-spurigen Schnellstraße theoretisch 90 zu fahren, dann hat auch die ohne erkennbaren Grund Abschnitte, auf denen man mit 50 km/h durch die Gegend nüdeln soll. Und alle Nase lang stehen da Blitzer, in manch kleinem Dorf gleich zwei Stück. Das heißt wohl, sich besser dran zu halten, wenn man nicht einen Berg Knöllchen nach Deutschland geschickt bekommen möchte. Manchmal ist es aber nicht so einfach, auf die Schilder zu achten, denn man wird von dem Gekrieche auf gerader Strecke so eingelullt, dass man die andauernden Wechsel der Tempolimits auch nicht immer mitbekommt. Sich nach dem Vordermann richten, der sich womöglich besser hier auskennt, ist auch nicht drin, denn es herrscht - ähnlich wie in Frankreich - kaum Verkehr, weder auf der Bezahlautobahn noch auf der Landstraße. Was natürlich sehr angenehm ist, wie auch immer diese Länder das machen…

 

 

Da wir etwas länger in VENEDIG bleiben wollen, stellen wir uns zur Abwechslung auf einen richtigen Campingplatz mit ganz neuen, sehr angenehmen Badräumen auf dem Festland in Maestre. Um in die Langunenstadt zu gelangen, gondeln wir tagein tagaus hin und her. Nein, nicht mit der Gondel, sondern mit dem Bus. Wir erlaufen Gassen, unendlich viele Brücken, schöne Plätze und ganz entlegene Winkel. Jedes Viertel hat seinen eigenen Charakter und hinter jeder Brücke, hinter jeder Ecke gibt’s wieder etwas Neues zu bestaunen. Mann, ist das schön hier! Ich hatte mir das alles schon hübsch vorgestellt, aber in natura ist es ja kaum zu fassen, was die Leute vor 1600 Jahren hier auf die Stelzen gestellt haben! So viel Filigranes überall und natürlich auch so viel Beeindruckendes in den Prachtbauten!

Und kaum lassen wir die derzeit zum Glück recht wenig besuchten Hauptwege mit ihren vielen Souvenirständen auch nur ein paar Meter hinter uns, wird es bereits richtig still und meist menschenleer. Und wenn man doch auf jemanden trifft, handelt es sich eher um Einheimische als um Gäste. Es sind generell noch wenig Touristen hier. Wir haben gerade die Woche vor Karneval und haben eine ganz besondere Zeit erwischt. Wegen Corona trauen sich die meisten noch nicht zu reisen und Kreuzfahrtschiffe sind auch noch nicht unterwegs, aber der Bürgermeister der Stadt lässt einige Karnevalveranstaltungen zu, die zur Massenvermeidung einfach an verschiedenen Plätzen stattfinden. D.h., Venedig schmeißt pünktlich zu meinem Geburtstag mit ordentlich Konfetti um sich und es laufen viele in bunten, unglaublich aufwändigen venezianischen Kostümen und Masken v.a. auf dem Markusplatz herum. Aber ich muss dieses kunterbunte Spektakel nicht mit den unfassbaren Massen teilen, die zu „normalen“ Zeiten sonst hier wären. Herrlich! Wer weiß, wann sowas mal wieder in dieser Kombi auftritt.

Als es am ersten Tag einmal ein paar Minuten regnet, ist sogar die Uferpromenade vor dem berühmten Dogenpalast leergefegt. Aber selbst Regen kann der Schönheit dieser Stadt keinen Abbruch tun, sondern ist einfach nur eine weitere hübsche Facette. Kaum sind die letzten Tropfen vom Himmel gefallen, tauchen bereits die ersten Kostümierten auf und lassen sich bereitwillig fotografieren und kommen dem Anschein nach auch genau zu diesem Zweck des Posierens auf den Markusplatz und dessen nahe Umgebung. Einige haben die typischen Symbole Venedigs wie den Glockenturm oder Gondeln in ihr Kostüm integriert, manche transportieren ein konkretes Thema und bei manchen ist es ein Wimmelbild von so unglaublich vielen Details, dass mir auch erst bei Betrachtung der Fotos auffällt, was sie da alles auf ihren Gewändern, Perücken, etc. integriert haben. Und alle tragen Masken, für die der venezianische Karneval so berühmt ist. Da bekommt doch der Ausdruck „Maske“ zur Abwechslung mal wieder ein sehr angenehme und hübsche Bedeutung…

 

 

Bei einer Bootstour auf dem Canale Grande haben wir die Gelegenheit, die „Serenissima“ auch von der Wasserseite zu bewundern. Ich find’s doll, dass man hier auch noch Haustüren zu den Kanälen und nicht nur zur Seite der Fußwege hat, dass Feuerwehrboote aus Torbögen auf dem Wasser herausfahren (klar auf dem Wasser, wo auch sonst, aber normalerweise kennt man ja nur die Landversion…), Paketlieferdienste ihre Waren durch die Gegend schippern und dass es statt extra Schiffahrtszeichen auch klassische Einbahnstraßenschilder für Einbahnkanäle gibt. An einem weiteren Tag fahren wir eine andere Strecke mit dem Boot und es bieten sich nochmal neue schöne Eindrücke wie z.B. die kleine vorgelagerte Insel mit der gleichnamigen Kirche San Giorgio Maggiore und dem Blick auf Venedig von dort aus.

 

 

Am Ende aller Wege landen wir doch immer wieder am Markusplatz und je weiter wir uns dem eigentlichen Karnevalswochenende nähern, umso mehr fantastische Kostüme sind zu sehen.

 

 

Auch sonst versteht sich die Stadt darauf, in verschiedenster Weise Atmosphäre und ein besonderes Lebensgefühl zu versprühen. Denn ab mittags sitzt man hier gern auf kleinen Plätzen oder an den Kanälen und zischt in der wärmenden Sonne einen Aperol Spritz zu Cicchetti, kleinen kreativ angerichteten Appetithäppchen, die man sich wie die spanischen Tapas je nach Lust und Laune zusammenstellt. Die besten davon finden wir bei einem Bummel durch das Studentenviertel gleich gegenüber einer Werkstatt, die die berühmten Gondeln noch von Hand baut. Das beste süße Leckerli wiederum gibt’s bei unserer neuen Lieblingsbäckerei, die nur zur Karnevalszeit fantastische Zabaione-Bällchen herstellt. Das sind Baignets mit rumhaltiger Cremefüllung. Sieht auf dem Foto ziemlich riesig aus, passt aber in eine Faust. Dafür haben sie’s faustdick hinter den Ohren, denn nach einem ist man auch schon fast satt, aber die sind sooooo lecker, dass wir uns auf dem Heimweg zu Jumpy immer mal wieder welche gönnen. Und richtig gutes Brot haben sie in der Bäckerei auch noch!


Wenn man die Touristenspots meidet, bekommt man sogar ganz gutes Essen in den Restaurants und auch zu durchaus brauchbaren Preisen.

 

 

Einen Abend - es ist wie immer nach Sonnenuntergang schon wieder frostig kalt und dazu noch sehr windig - suchen wir nicht nur „Brunettis“ Kommissariat auf (was eigentlich ein Nebenbau einer Kirche ist) und futtern bei seinem Bootsanleger Cicchetti, sondern ich besuche noch eine Veranstaltung namens „Nebula Solaris“. Torbens „Super Green Pass“ ist seit heute abgelaufen, sprich die 6 Monate nach der 2. Impfung sind rum, und man darf damit in Italien nirgendwo mehr rein ohne extra Test. Meiner gilt noch 2 Wochen. Im Hafenbecken des sonst abgesperrten Militärgeländes findet eine Inszenierung von Kostümierten statt, die auf Booten tanzen und mit Lichtern und Feuer spielen, von Wasserfontänen, die bunt und mit verschiedenen Motiven angeleuchtet werden und von dazu begleitender Musik. Das alles ist sehr schön anzusehen, aber meiner Meinung nach hätten sie mit den Wasserspielen und der Musik noch ein bisschen mehr auf die Tube drücken können.


Durch das nächtliche Venedig schlendern wir durch die erleuchteten Gassen bis zum Bootsanleger zurück, um diesmal im Dunkeln auf dem Canale Grande zu fahren. Vor einem ganz in Blau strahlenden Palazzo schwimmen jede Menge Wassertaxis Schlange. Da findet heute am Karnevalssamstag der große Maskenball statt und wir sehen einiges an Kostümen hineinspazieren. Das wär was! Da mal mitmachen! Ist bestimmt ein Erlebnis!

 

 

Was ebenso ein besonderes Erlebnis ist, ist mein nächstes Vorhaben. Am Rosenmontag stehe ich um 4:30 h noch im Dustern und ungemütlicher Kälte auf. Torben dreht sich lieber noch mal unter der warmen Decke um und bleibt liegen. Ich sitze erstmal eine Weile sinnierend auf dem Bettrand und frage mich, warum ich das nun schon wieder mache. Tja, warum? Weil wir gestern zu Zabaione-Bällchen und Kaffee ein paar Leute getroffen haben, von denen einer meinte, dass zum Sonnenaufgang einige in Kostüm auf den Markusplatz kommen, um für ein paar wenige Fotografen zu posieren und sonst drumherum noch alles menschenleer ist. Hm, und wenn ich sowieso zu nachtschlafener Zeit aufstehe, dann könnte ich ja diesen Platz noch mit den erleuchteten hübschen Lampen fotografieren. Noch vor Sonnenaufgang um halb 7, versteht sich. Mein Bus geht also um kurz vor halb 6. Ich dachte, ich würde alleine mitfahren, aber alle Plätze sind mit Leuten belegt, die um diese Zeit wohl schon zur Arbeit müssen. So missmutig schauen sie jedenfalls drein. 


Der Bus schmeißt einen immer am westlichsten Punkt der Lagunenstadt raus, der Markusplatz liegt aber im Osten, d.h. ich muss noch einmal quer über die Insel. Aber da geht es ja nie geradeaus, sondern immer über Umwege wegen der ganzen Kanäle, Brücken und Schlenker zu meinem eigentlichen Ziel. Ganz still ist das in den Gassen, manchmal ist ein Glucksen des Wassers zu hören und sonst nur meine eigenen Schritte. Das überall herumliegende Konfetti sieht im Dunkeln so aus, als würde ein bisschen Schnee liegen. Kalt genug dafür wär’s. Aus ein paar Bäckereien riecht es hier und da schon ein bisschen nach unseren Lieblingsbällchen, aber die Rollläden sind noch alle geschlossen. Kein Stuhl, kein Tisch steht vor den Läden. Dadurch wird die Orientierung aber auch ein bisschen schwierig. Wege, die bei Tageslicht schon selbstverständlich waren, sind bei diesen ganz neuen Bedingungen, wenn man gar nicht mehr erkennen kann, was das jeweils für Läden sind, etwas schwer auszumachen. Gut, dass es heute Telefone gibt, die einem bei Bedarf den Weg zeigen. Ich muss mich auch langsam sputen, denn es wird zusehends heller und ich flitze im Laufschritt überall durch. Gleichzeitig will ich aber auch noch die Stimmung genießen, wie z.B. das tolle Licht, als ich über die Ponte dell’Accademia gehe. Als ich dann endlich am Markusplatz ankomme und meine Kamera gerade auf den Campanile und den Dogenpalast richte, geht - zack - einfach mal das Licht aus! Schon zu hell, noch ohne, dass die Sonne weit und breit zu sehen wäre… Ich frage mich, ob ich mich jetzt ärgern soll, gucke aber lieber mal ums Eck und siehe da, die ersten in Maske und Kostüm stehen doch sogar schon um kurz nach 6 h auf der Matte, um sich ablichten zu lassen.

 

 

Der Pestdoktor nebst Begleitung ist auch dabei, wie passend in diesen Zeiten… Einige nutzen die kleine Insel San Giorgio Maggiore als Hintergrund, manche die jetzt noch leeren Gänge des Dogenpalasts, manche den Campanile. Es ist ein ganz anderes Szenario, eine ganz andere Stimmung, als wenn man um die ganzen Leute drumherum fotografieren muss, die sonst tagsüber auf dem Platz unterwegs sind. Das macht so viel Spaß, dass sich das frühe Aufstehen auf jeden Fall gelohnt hat!

 

 

Mein absoluter Favorit ist einer, den ich auch schon in den letzten Tagen einmal gesehen hatte, der jetzt zu unterschiedlichen Lichtsituationen immer wieder ganz profihaft modelmäßig unterschiedliche Posen anbietet. Vor Sonnenaufgang, währenddessen und danach. Der kann machen, was er will, es sieht immer gut aus. Hübsches Kerlchen! Und dann stelle ich bei Betrachtung der Fotos fest, dass er hinter der Maske sogar fast immer direkt in meine Richtung sieht. Als würde er die Show nur für mich machen. Doll! Danke dafür, wer immer Du bist!

 

 

Von dem ganzen mich vor den Kostümen auf den Boden werfen, bei Richtungsänderung der Kostümierten Platz wechseln und dann wieder auf dem Boden rumkrabbeln, sind meine Beine auch ganz schön müde, zumal ich das die ganzen Tage vorher auch schon immer gemacht habe, um keine vorbeigehenden Leute im Foto-Hintergrund zu haben. Ich setze mich auf die Stühle des noch geschlossenen Cafés auf dem Markusplatz, genieße die wärmende Sonne und esse mein mitgebrachtes Frühstück. Torben kommt dann später dazu und wir spazieren noch ein letztes Mal durch Venedig.

Ich bin froh, dass wir dieses Fleckchen Erde zu dieser besonderen Zeit erleben durften und dass ich es um meinem Geburtstag herum wieder so schön bunt hatte!

 

 

Nachdem wir festgestellt haben, dass es in Italien fast ein Ding der Unmöglichkeit ist, klassische Kaffeefilter zu bekommen, da hier alle entweder mit Espressomaschinen oder den typischen Kannen ihren Kaffee kochen, machen wir uns in Richtung Bologna auf. Es ist sehr verlockend, auch diese Stadt einmal zu besuchen. Zum einen soll sie sehr sehenswert sein, zum anderen wäre es schön, Pasta alla Bolognese direkt am Ursprungsort zu essen. Auch sonst heißt es, man könne hier sehr gut futtern, besonders natürlich alles, was sich um Nudeln dreht. Aber bei jeglichen Parkplätzen in der Stadt und drumherum lesen wir, dass überall gern mal der Camper aufgebrochen wurde. Das nervt und macht wenig Lust, Jumpy diesem potenziellen Schicksal zu überlassen. Wir suchen uns lieber einen Bauernhof südlich davon in den BOLOGNESER HÜGELN. Der Herr des Hauses fragt, ob wir denn Italienisch sprächen. Als wir verneinen, guckt er ganz beleidigt, geht ins Haus und überlässt uns seiner Englisch sprechenden Frau. Die ist wenigstens freundlich, wenn man auch annmerkt, dass sie die Texte, mit denen sie ihren Biohof und das ganze Konzept drumherum beschreibt, schon ein paar Mal erzählt hat. Man kann hier auch Essen bei der Familie bestellen und bekommt es sogar direkt ans Auto serviert. Das ist natürlich sehr bequem. Und es gibt tatsächlich Pasta Bolo. Wie passend!

 

 

Ansonsten gibt es hier nicht viel zu sehen, daher weiter nach FLORENZ. Die Landschaft zieren jetzt tatsächlich mehr und mehr Zypressen und der Baustil ändert sich zu typisch toskanisch. Die Beschreibung der Park- und Übernachtungsmöglichkeiten in der Hauptstadt der Region fällt allerdings ähnlich aus wie in Bologna. Beim Teutates! Wir denken an Lateinamerika zurück und stellen fest, dass wir dort nie Sorge hatten, unser rollendes Zuhause irgendwo stehen zu lassen… Wir weichen daher auf das scheinbar einzige Fleckchen aus, bei dem bisher wohl noch nie eingebrochen wurde, in den Vorort Fiesole. Dort liegt ein ruhiger, recht großer Parkplatz neben ein paar privaten Geschäften, an denen am Wochenende aber nichts los ist. Dementsprechend haben wir den ganzen Platz für uns alleine und die Umgebung macht tatsächlich einen vertrauenswürdigen Eindruck. Und nicht weit davon gibt's einen schönen Überblick über Florenz.

 

 

Torben hat allerdings so gar keine Lust, sich schon wieder eine Stadt anzusehen. Mir geht es ähnlich. In Europa fehlt uns bei aller Schönheit der Städte doch die Abwechslung mit atemberaubernder Natur und wir vermissen die Offenheit der Menschen. Klar, wir haben auch schöne Landschaften auf unserem Kontinent, aber es gibt hier nunmal keinen Grand Canyon, keine Serengeti und kein Outback. Und dafür haben wir ja schließlich zuhause alles aufgegeben. Und Florenz kenne ich auch schon. Nichtsdestotrotz fahre ich dann doch alleine mit dem Bus dorthin. Es pustet ein eisiger Wind, aber wenigstens ist es sonnig dabei. Eigentlich ist die Stadt ja wirklich beeindruckend mit der ganzen Geschichte, den Medici, berühmten Künstlern und was sie nicht alles aus Marmor Dolles herausgeklöppelt haben wie z.B. den bekannten Nackedei David von Michelangelo. Aber ich bin eben das 2. Mal hier und grade nicht auf dem Macchu Piccu oder dem Salar de Uyuni… Klingt undankbar? Vielleicht. Aber was soll man machen, ich habe mir die Pandemie ja auch nicht ausgesucht. Aber natürlich habe ich das Privileg, grade durch die Gegend zu reisen, also geb ich mir ganz viel Mühe, das alles positiv zu sehen. Ich versuche auch, wirklich motiviert Fotos zu machen. Gelingt so halbwegs.

Als ich durchgefrostet wieder bei Torben und Jumpy ankomme, kann ich das Auto fast gar nicht sehen, denn ein Campervan klebt auf 1 Meter direkt neben uns, obwohl der ganze Parkplatz immer noch komplett frei ist. Warum??? Können die Leute nichtmal alleine parken? Hach ja! Es stellt sich aber später heraus, dass die Studenten, die sich für ein halbes Jahr auf die Reise gemacht haben, auf jeden Fall sehr nett sind. Als sie von unseren bisherigen Erlebnissen aus den Amerikas hören, bekommt einer von ihnen leuchtende Augen und scheint vor dem geistigen Auge bereits auch sowas zu planen, während mit jedem unserer Sätze das Entsetzen seiner Freundin immer größer zu werden scheint. Jedenfalls wird deutlich, dass sie am liebsten gar nichts davon hören würde. Wir spekulieren im Anschluss, ob das wohl ordentlich Zoff über deren zukünftige Lebensplanung gibt…

 

 

Jetzt bekommen wir endlich mal wieder mehr an Landschaft zu sehen, denn wir besuchen nun das Valle d'Orcia, berühmt für seine typisch toskanischen Zypressenalleen. Wir kommen in der Nähe von MONTALCINO auf einem Weingut unter. Hier sogar für lau, was hierzulande ja eine extreme Seltenheit im Gegensatz zu Frankreich ist, wenn man privat irgendwo unterkommt. Nur die Dusche oder der Strom wäre bei Nutzung zu zahlen. Die Mutter des Hauses hier ist sogar sehr herzlich und nach unserem für italienische Maßstäbe abgelaufenen Impfstatus fragt sie gar nicht erst.

 

 

Wir drehen eine Runde durch das VALLE D'ORCIA. Hier verstehen sie es wirklich, Zypressen dekorativ entlang von Hofzufahrten zu pflanzen. Ansonsten wird die Landschaft durch viele Felder geprägt, die zu dieser Jahreszeit entweder noch ganz kahl und braun oder schon mit frischen, quietschgrün sprießenden Halmen, die mal Getreide werden wollen, bedeckt sind. Jetzt sind wir schon so weit in den Süden gefahren, jetzt muss doch Anfang/Mitte März mal langsam Frühling einkehren. Aber es sind nur die Kirschen, die blühen, der Rest der Bäume und Büsche reckt noch unbelaubt seine Äste in den Himmel. Bei Nachfrage kommt auch kein „Sooo kalt hatten wir’s ja noch nie“ wie wir es in den USA ständig zu hören bekommen haben, sondern die überaschende Antwort, dass das hier normal sei. Ebenso die frösteligen Temperaturen von 10-12 Grad bei kaltem Wind. Hm! Ablenkung sind auf jeden Fall die jeweiligen Anblicke der Alleen, die sich hier bieten. Endlich mal kaum Gebäude zu fotografieren! Und die Sonne scheint ja schließlich, also alles gut!

 

Das kleine Städtchen PIENZA ist Herkunftsort des Pecorino, dem bekannten, herzhaften Schafskäse. Hier gibt es ihn nicht nur in Natura, wie man ihn ja meist bei uns kennt, sondern auch noch in verschiedenen Reifungsstufen und mit verschiedenen Aromen wie Trüffel, Birne, Tomate, etc. Da wir bisher in Italien nicht wirklich fündig geworden sind, was guten Käse angeht (und das, wo wir jetzt nach Frankreich so verwöhnt sind), schlagen wir hier erstmal zu. Wie sich später herausstellt, ist dies ein zwar auch hier im Land bekannter Käse, aber diese Vielfalt, die wir sie in Pienza vorfinden, werden wir im ganzen Stiefel nicht wieder bekommen.

 

 

Eine letzte Runde drehen wir noch durch das Zypressental. Vorher steht leider noch tanken an. Der Benzinpreis liegt wegen des Krieges ein paar Staaten weiter jetzt bei stolzen 2,13 € pro Liter und steigert sich die Folgetage auch noch. Wir denken wiedermal an Kolumbien zurück, wo wir den ganzen Tank für umgerechnet 35 € vollbekommen haben. Schluchz! Dafür ist wenigstens die Landschaft sehr schön, die wir durchs Sprit verbraten zu sehen bekommen. Besonders malerisch wirkt das alles, wenn die Nachmittagssonne die Landschaft in ein goldenes Licht taucht.

 

 

Vor Abfahrt wollen wir nur nochmal kurz planschen. Bei der Frage nach dem Schlüssel für das Gästeduschgebäude faucht mich die Tochter des Hauses, die eigentlich wie die weit ältere, missgelaunte Schwester der Mutter aussieht, völlig aus dem Nichts an: „Green Pass, Green Pass! Dusche nur mit Green Pass!“ Hm, der Hinweis, dass wir doch schon ein paar Tage hier wären und bei ihrer Mutter den Schlüssel schonmal erhalten hätten und wir ja durchaus geimpft seien, scheint sie nicht zu interessieren. „Green Pass, Green Pass!“ Oh Mann! Dass in Belgien schon wieder alle ohne Maske rumlaufen und in Deutschland ja auch in zwei Wochen wohl angeblich alles wieder gehen soll, ist von der Gedankenwelt der Italiener scheinbar noch ganz weit weg. Nachdem ihr Bruder noch auf sie eingeredet hat und sie noch irgendwas auf Italienisch vor sich hinschimpft, bekomme ich dann doch den Schlüssel ausgehändigt mit dem Hinweis, doch gefälligst die Dusche anschließend mit dem Zeug zu desinfizieren, das dort rumsteht. Und was bekomme ich da zu lesen: Antibakterielles Desinfektionsmittel! Ist nach zwei Jahren der Unterschied zwischen Viren und Bakterien wohl immer noch nicht klar geworden…

Da wir hier in der Region alles gesehen haben, was wir sehen wollten und ich keine Lust habe, mich von Madame nochmal anschnauzen zu lassen, setzen wir unsere Fahrt gen Süden fort und halten am LAGO DI BOLSENA in der Nähe von Capodimonte. Hier sitzen wir noch ein bisschen trübes Wetter aus, bis die Sonne wieder scheint. 

 

 

In der Nähe der Haupstadt stellen wir uns auf einem Biohof. Hier ist ordentlich was an Besuchern wegen der Tiere und des Hofladens los. Aber über Nacht haben wir den Parkplatz unter Bäumen wieder ganz für uns.

 

 

Weiter geht’s nach ROM. Wir übernachten außerhalb in einem wenig charmanten Viertel auf einen Parkplatz, der eine Ecke für Camper hat, bewacht ist (Stichwort „Einbruch in Fahrzeuge“; ist auch hier drumherum überall wieder zu lesen) und auch sonst nicht ein horrendes Geld kostet. Von hier aus kann man ohne Umwege in die Innenstadt mit dem Bus fahren. Direkt an der Endstation bietet sich schon ein doller Anblick: So viel altes Zeug direkt nebeneinander! Hier eine Art Kolosseum, da ein paar antike Säulen, dort ein alter Palazzo, usw… Da von vielem nur noch die Ruinen stehen, fragt man sich bei der Geballtheit an Bauten, wie dicht die aufeinander gestanden haben müssen, als alles noch heile war. Das gilt ebenso fürs Forum Romanum oder fürs Augustusforum. Wenn wir auch hier bereits das 2. Mal sind, kommen wir dennoch aus dem Staunen nicht raus, was die damals so erschaffen haben. Der Wahnsinn! Mal wieder kommt der Gedanke auf, warum heute bei all den Möglichkeiten i.d.R. so unfassbar langweilige Architektur gebaut wird im Gegensatz zu solchen Monumenten von früher. Deren Imposanz ist auch kaum in Fotos zu fassen, es wirkt alles viel zu klein und zu unbedeutend im Vergleich zu deren tatsächlicher Größe.

 

 

Angenehm ist es, dass sie hier in den Außenbereichen von Cafés und Restaurants keine Covid App mehr sehen wollen. Ironisch eigentlich, denn die Gesetze werden in Rom gemacht, aber hier hält man sich am wenigsten dran. Naja, uns soll’s recht sein, so können wir mal wieder was essen gehen. Ganz stilecht natürlich mit einer römischen Pizza! Wir lernen, dass die römische Variante dünner ist und der Teig Olivenöl enthält, während die aus Neapel wohl dicker sei und ohne Olivenöl. Aha! Und alle sind sie mächtig stolz auf ihre belegten Teigfladen!

Auffällig ist, dass eigentlich nur die Touristen dem Motto des „Dolce Vita“ fröhnen. D.h. Aperol Spritz in der Sonne genießen, was draußen essen oder einfach nur irgendwo zusammensitzen, etc. Dort, wo wir bisher in Italien durchgekommen sind, schienen eigentlich nur die Venezianer das Leben auch mal genossen zu haben. Ansonsten hatten wir generell den Eindruck, dass die Einheimischen bis auf einzelne angenehme Ausnahmen recht mürrisch zu sein scheinen, im Gespräch untereinander auch eher schlecht gelaunt sind und zum Lachen geht man hier wohl lieber in den Keller. Herrschte in Frankreich noch ein fröhlicher Grundton überall, kann man hier fast froh sein, wenn man nicht angemault wird. Schade eigentlich, denn wir hätten gern mal Landsleute oder gar eine ganze „Famiglia“ hier getroffen wie sonst in den anderen Ländern auch und hätten gern mit denen mal was unternommen oder ihre Lebensweise kennengelernt. Vielleicht auch mal zusammen Pasta oder Pizza hergestellt. Das macht ja die besondere Würze des Langzeitreisens aus, wozu man ja während eines Urlaubs oft gar nicht die Zeit hat. Aber unter diesen Umständen scheint das ja leider unmöglich und so bleibt es bei der reinen Besichtigung der verschiedenen Gegenden und Städte, die aber auf jeden Fall Highlights sind.

 

 

Nach zwei Stadtbesuchen mit den typischen Sehenswürdigkeiten, die in Rom quasi zum Pflichtprogramm gehören, steht heute etwas anderes an: Ein Katzencafé im Studentenviertel. Letzteres liegt jetzt nicht mehr in Trastevere, sondern ist wegen hoher Mieten auf die andere Flussseite außerhalb des Zentrums umgezogen. Das ist jetzt deutlich weniger schick hier, dafür gibt’s mehr an Grafitti, Murals und sonstigen Wanddekos zu gucken, bis wir beim Café ankommen. Die Atmosphäre ist ganz ruhig und entspannt dort, es läuft eine sanfte Musik und Gäste wie Bedienungen gehen ganz vorsichtig zu ihren Tischen und sprechen ganz leise, um die Katzen als Hauptakteure ja nicht zu stören. Einige davon schlafen auch ganz selig vor sich hin, andere lassen sich freiwillig streicheln, wiederum andere fordern dies laut maunzend geradezu ein und schnurren zur Belohnung. Sehr niedlich! Sie haben sogar ihren eigenen Rückzugsraum und jeder, selbst ja sonst so stürmische Kinder, sind alle ganz behutsam. Als ich die Besitzerin des Cafés für die schöne Stimmung in ihrem Laden lobe, ist sie ganz verdattert, ist dann aber sehr gerührt. Scheint ihr wohl sonst keiner mal mitzuteilen.

 

 

Wir verlassen Rom und fahren die nächsten Tage nur kleine Etappen, weil wir nicht so richtig wissen, was wir nun mit Sizilien machen sollen. Einerseits lockt der an Aktivität zunehmende Ätna und die sonstigen Sehenswürdigkeiten der Insel, andererseits haben die Italiener ja bisher meist nicht gerade Werbung für sich selbst gemacht. Heute kommen wir jedenfalls nur bis zu einem weitläufigen Strand, wo wir oberhalb davon mal wieder auf einem Parkplatz übernachten. Den gibt’s auch nur noch ein paar Tage für lau, dann fängt die Bezahlsaison an. Glück gehabt diesmal, aber mal sehen, wie das dann in der nächsten Zeit wird.

 

 

Wieder ein Stück südlich landen wir in einem ganz merkwürdigen Ort. Da es aber drumherum auch nicht wirklich Alternativen gibt, bleiben wir. Das ist ein alter, ausrangierter Badeort, der vielleicht mal in den 80ern beliebt und belebt war, aber jetzt wirkt alles wie ein „Lost Place“. Eigentlich will ich den sowieso bewölkten Tag auch nur auf dem Sofa verbringen und an Fotos arbeiten, aber Torben dreht eine Runde und berichtet dann von einer so verlorenen Stimmung, dass ich schon wieder neugierig bin. Ich raffe mich also doch auf und sehe mir das Phänomen mal an. Verlassene Hotels und Pensionen mit entsprechend baufälliger Optik präsentieren sich da, ebenso eine heruntergekommene kleine Geschäftsmeile mit verrammelten Läden. Auf dem Tennisplatz fand schon ewig kein Ballwechsel mehr statt und hinter einem Hauseingang steht schon gar kein Gebäude mehr, sondern nur eine Grasfläche. Das Absurde ist, dass dennoch vereinzelt Häuser bewohnt sind, manche davon sogar richtig in Schuss gehalten. Aber warum will man hier wohnen oder Ferien machen?

 

Ich bin eigentlich schon wieder auf dem Rückweg, da sehe ich eine alte Kinderrutsche, deren ehemals kunterbunte Farben über die Jahrzehnte verblasst sind. Ich halte mal meine Kamera drauf, mache aber dann doch kein Bild. Das scheint der Eigentümer des Hauses (hier wohnt dann doch mal jemand) ganz anders zu sehen. Er schießt wütend aus der Tür und - soviel Italienisch verstehe ich dann noch - bedeutet mir energisch, ich solle gefälligst das Foto löschen. Ich bin ganz verdattert und erkläre ihm wahrheitsgemäß, dass ich gar kein Foto gemacht hätte. Er wird noch zorniger, kommt ganz nah ran und will die Kamera sehen. Ich bin leider nicht auf die Idee gekommen, wegzulaufen, als er rausgeschossen kam, aber ich hab ja auch nix gemacht. Nun habe ich ihn an der Backe. Und auch die Tatsache, dass ich ihm gar kein Foto von seiner Rutsche präsentieren kann, verunsichert ihn wohl noch mehr. Er faucht mir ständig irgendwas Italienisches zu und ich versuche, beruhigend auf Englisch auf ihn einzureden. Irgendwie werde ich ihn doch los und gehe weiter, er bleibt auf der Straße abwartend stehen.

 

Kurz darauf weiß ich warum: Das hier entpuppt sich als eine Sackgasse und ich muss unweigerlich doch nochmal an der Furie vorbei, wenn ich hier heute nochmal raus will. Sonst ist natürlich niemand da, den ich um Hilfe bitten kann. Diesmal wird er handgreiflich und packt mich am Arm und an der Kamera. Ich solle immer noch das Foto löschen. Vollidiot!!! Ich komme mir grade vor wie im falschen Film. Ich schreie ihn gellend an und haue ihm meine Krallen in die Hände. So lässt er wenigstens meinen Arm los. Er versucht nun, mir sogar erst die Kamera abzuringen, dann das Objektiv abzudrehen, aber das weiß ich dann doch zu verhindern. Verhindern kann ich allerdings nicht mehr, dass er mir die Gegenlichtblende abschraubt und mir die Gummikappe für den Sucher kapputtreißt. Auch da versuche ich noch, die Blende wiederzubekkommen, lasse es dann aber bald sein, bevor er doch noch wieder ankommt. So dampft er mit der Blende als Trophäe ab, als hätte er jetzt was gewonnen. Ruft mir aber immer noch hinterher, ich solle das Bild löschen. Was für ein Scheißkerl!!! Sein erwachsener Sohn steht übrigens die ganze Zeit nichts sagend und untätig neben dem Gartentor. Die ganze Familie taugt offenbar nix! Und das alles für ein Foto, dass ich nichtmal gemacht habe!!! Die spinnen echt, die Italiener!!!

Zurück am Auto bricht dann der Stress durch und ich bin erstmal völlig feddich. Ich wurde noch nie im Leben körperlich angegriffen! Passiert ist mir zum Glück dabei nichts. Nur der Schreck sitzt erstmal nachhaltig. Was hat der Kerl bloß für ein Problem? Was meint der, was ich da fotografiert haben soll? Hinter der Rutsche war bloß eine weiße Hauswand, nichts weiter, Fenster und Türen waren woanders. Meint er, ich wollte ihn ausspionieren? Nee, ist klar. Ich sehe ja auch aus, wie die Vorhut einer räuberischen Bande, oder was?! Oder ist er ein abgehalfterter Italo-Popstar und denkt, ich wäre ein Paparazzo? Oder ist der heutige Vatertag (hier Mitte März) mit Sohnemann dumm gelaufen? Was auch immer, die Nummer grade war auf jeden Fall unfassbar überzogen. Wenn ich auf alle losgehen würde, die ein Bild von Jumpy machen, hätte ich schon einige Kameras zerstören müssen. Ich wüsste nur nicht, warum…

 

 

Bei der nächsten Tankstelle will dann auch noch ein waschechter Schmierlappen unbedingt, dass wir an der 20 Cent/L teureren Zapfsäule inkl. Service halten statt am Selbstbedienungsding. Meine Güte, gibt’s in diesem Land auch noch normale Menschen??? Wir lassen ihn stehen und fahren weiter. An der nächsten Tanke dann ein erlösend freundlich, fröhlicher Mensch, der uns machen lässt, was wir wollen und dann auch noch korrekt abrechnet.

Nächster Stopp: POMPEJI. Wenn Torben einen Ort in Italien sehen will, dann diesen. Diese vom nahegelegenen Vesuv vor etwa 2000 Jahren zerstörte Stadt, deren Ruinen dann irgendwann wieder aus der Asche ausgebuddelt wurden. Wir stellen uns diesmal auf einen privaten Campingplatz, der gar nicht nach einem solchen aussieht, weil er so schön und offen angelegt wurde. Vulkanblick hat er auch! Und siehe da, wir werden von einem übers ganze Gesicht grinsenden Afrikaner begrüßt. Dem steht echt die Lebensfreude ins Gesicht geschrieben. Hoffentlich färbt das auch auf seine Umgebung ab. Die Besitzer des Platzes sind jedenfalls schonmal freundlich, wenn auch schüchtern. Und wir müssen gar keinen extra Corona-Test machen, um hier sein zu dürfen. Herrlich! Das ist ja mal eine Seltenheit, dass das jemanden egal ist in diesem Land!

 

 

Dafür stellen sie sich aber wieder am Eingang zum riesigen Ruinengelände an. Alles weit und offen, aber „Green Pass, Green Pass!“ Jaja! Wir also für nen Test zur Apotheke, nur dass wir leider morgens zuviel rumgetrödelt haben und an allen Apotheken in der Nähe des Eingangs bereits kurz nach 13h keine Krankenschwester mehr da sei, um den zu machen. Erst gegen Abend wieder. Nen Stäbchen in die Nase bohren, abstreichen und aufs Ergebnis warten ist für einen Apotheker natürlich zuviel verlangt, da braucht’s hier ne Krankenschwester… Und 4 Stunden Siesta bis zur Uhrzeit, zu der Pompeji fast schon wieder schließt, sind auch nicht hilfreich. Nach einer Weile des Rumfragens finden wir ab vom Schuss aber doch noch eine Apotheke, die unsere Tests wie ganz selbstverständlich sogar um die Mittagszeit schafft! Halleluja!

Am Eingangstor wedeln wir nun also mit unserem frisch erworbenen Zettelchen rum. Und was ist? Es wird ein läppischer Blick drauf geworfen und wir werden durchgelassen. Da hätte sonstwas mit QR-Code abgedruckt sein können…. Und die Riesenmaschinerie, die sie da für Gepäckkontrollen und Metalldetektoren aufgebaut haben, wird zum einen nicht genutzt und trotz Gebiebel des Detektors interessiert sich keine Sau dafür und wir gehen unkontrolliert weiter zum Ticketschalter. Aber vorher einen Riesenaufriss um alles machen. Mann, Mann, Mann….

Pompejis Gelände ist riesig, und was da sowohl nach 2000 Jahren als auch nach Zerstörung durch den Vesuv dennoch erhalten geblieben ist, ist wirklich beeindruckend. Die Asche hat offenbar gut konserviert. Auf ganzen Straßenzügen entlang von Häuserreihen kann man heute noch entlangschlendern, die grob gepflasterten Straßen zeigen noch heute die tiefen Spurrillen von Pferdekarren, einige Mosaike sind noch gut in Schuss und sogar noch manche bunten Malereien innerhalb der Häuser. Sie haben hier sogar ein paar Menschen gefunden, die mumifiziert waren, so dass sie einen Gipsabdruck machen konnten, wie sie z.T. gekrümmt liegend aufgefunden wurden. Das macht den Eindruck, als hätten sie selig geschlafen, als sie der pyroklastische Strom sie erreicht hat. Und lugt man ums Eck, hat man immer wieder den Anblick auf den riesigen Verursacher, der auch heute noch als aktiver Vulkan gilt. Und trotzdem ist sowohl das neue Pompeji als auch Neapel unglaublich dicht an diesen explosiven Berg gebaut. Nicht wenige Häuser stehen sogar direkt am Hang, obwohl im Schnitt wohl alle 70 Jahre ein Ausbruch zu erwarten ist. Wär wohl schon längst wieder soweit. Aber alle scheinen auf Gott zu setzen, denn überall in der Umgebung haben sie unheimlich viele Kreuze und Heiligenfiguren aufgestellt, um das Unheil abzuwenden. Die Atmosphäre, die das alles hier ausstrahlt, ist jedenfalls alles andere als zerstörerisch, sondern sogar sehr, sehr friedlich.

 

 

Da NEAPEL nicht weit ist, wollen wir mit dem Zug reinfahren, noch gilt ja unser gestern gemachter Schnelltest. Wir wollen grade ganz brav Tickets in der Bahnhofshalle ziehen, raunen uns zwei Polizisten mitten im Prozedere an „Green Pass, Green Pass!“ Hrrrrs%&?§%$!!! Die zwei Minuten hätten sie ja wenigstens noch warten können… Und kann das bitte auch mal jemand hier im Land freundlich fragen??? Auch im Zug läuft eine nicht aufhören wollende und mehrfache Bandansage zur Pflicht des Maske tragens und sonstewas, sonst droht irgendeine Strafe nach Paragraph X Absatz Y Satz Z. Grumpf! Wissen wir doch alle! Maske auf, Green Pass dabei. Dürfen wir jetzt bitte einfach in Ruhe nach Neapel fahren??? Wir haben jetzt Ende März. Davon dass Anfang April hier alles in Bezug auf Corona lockerer werden soll, merkt man noch nichts. Die ziehen das bis zum Ende durch. Und andere Länder schaffen es ja auch, deutlich gnädiger auf die Regeln hinzuweisen…

Dort angekommen, empfängt uns eine Stadt, die gar nicht so laut und chaotisch ist und auch nicht mit wirrem Verkehr aufwartet, wie man immer zu hören bekommt. An Verkehr ist in Hamburg schon deutlich mehr los. Hier muss man nur ab und zu mal auf Mopeds aufpassen, die in den kleinen Gassen ziemlich fix unterwegs sind, aber ansonsten läuft das alles sehr zivil ab. Was wir allerdings als erfreuliche Abwechslung empfinden, ist, dass die Altstadt einen eigenen, etwas schrulligen Charakter hat, der uns in manchen Momenten an Mexico denken lässt. Die europäischen Städte bisher auf unserer Route waren schön gepflegt, hier gibt’s dafür schonmal die ein oder andere Besonderheit. Über die Straßen sind ganz klischeehaft besonders viele Wäscheleinen gespannt, viele Gemüsestände reihen sich aneinander, deutlich mehr Schrebbel ist zu sehen und überall findet man kleine und große Altare an den Hauswänden. Ein Eckchen ist ganz der Herstellung von (Weihnachts-)Krippen gewidmet und theoretisch könnte man noch Katakomben mit lauter Totenschädeln besuchen. Uns ist aber mehr nach Sonnenschein und Leben, daher machen wir noch einen Schlenker in eine andere Gegend des Zentrums, die eine fantastische historische Galerie, einen klassizistischen Königspalast mit großem Platz davor und einen erneuten Blick auf den Vesuv mit dem Stadtteppich von Neapel davor zu bieten hat. Und eine original neapolitanische Pizza darf natürlich auch nicht fehlen, denn sie sagen, hier sei sie erfunden worden. Wir finden auch ein nur von Einheimischen (die tatsächlich auch mal lachen, es gibt sie doch noch!!!!) besuchtes Restaurant mit einem sehr leckeren Exemplar von Pizza und einem dicken Humpen an Aperol Spritz. Wenn schon, denn schon!

 

 

In Pompeji auf unserem Platz ruhen wir uns noch ein paar Tage aus. Unsere Gastgeber werden immer zutraulicher und wir bekommen am Ende zu hören, dass sie gern öfter solche Gäste wie uns dahätten, wir wären besonders nett gewesen. Huch! Dabei haben wir bloß gelobt, wie schön sie das alles hier gemacht haben und waren einfach freundlich zu ihnen.

Auch wenn dies jetzt mal wieder eine ganz schöne Erfahrung war, der Aufenthalt hier sehr angenehm war und ich den Schreck über den Vorfall neulich schon ein bisschen wieder abgeschüttelt habe, strahlt das Land, bzw. seine Bewohner keine Stimmung aus, die zum Verweilen einlädt, so dass wir uns entscheiden, Sizilien doch auszulassen (wehe, der Ätna bricht dann aus und ich bin nicht dabei…!) und statt dessen gleich zum Stiefelabsatz weiterzufahren.

Nach Apulien rüber kommen wir sehr gut voran. Endlich nicht mehr so viele Blitzer und die Geschwindigkeitsbegrenzungen machen meist auch mehr Sinn. Wir stellen uns gegenüber von MATERA neben eine Schlucht und haben einen schönen Blick auf die Höhlenstadt. Und abends mit Beleuchtung!

 

 

Nach dem Frühstück mit dieser schönen Aussicht schauen wir mal, was es mit diesen Höhlenwohnungen so auf sich hat. Die waren seit der Jungsteinzeit am Stück noch bis in die 1950er Jahre besiedelt. Die Wohnungen wurden tatsächlich aus dem weichen Kalkgestein herausgebraben, wobei die Steine aus den immer tiefer werdenden Höhlen für den Bau der Fassaden benutzt wurde, so dass von außen erstmal der Eindruck einer quasi normalen Stadt entsteht. Dahinter aber haben die Menschen auf engstem Raum mit Hühnern, Schweinen und sogar Kühen und Pferden zusammen unter miserablen hygienischen Verhältnissen gewohnt. Bis die Regierung in den 50ern dies als „Schande der Nation“ betitelt und die Umsiedlung in modernere Wohnungen verordnet hat.

Seit einigen Jahren wirbt der Staat nun wieder dafür, diesen Ort zu besiedeln und spätestens seit der Ernennung zum Weltkulturerbe der UNESCO sind die sogenannten Sassi wieder eine ganz besondere und wirklich hübsche Attraktion, in der es Spaß macht, herumzuschlendern.

 

 

Zum Abend fahren wir auf ein ganz abgelegenes Weingut. Wir werden auch gleich auf eine Weinprobe eingeladen. Die Besitzerin ist sehr nett, was angenehm wohltuend ist!!! Sie lässt uns durch das ein oder andere wirklich gute Stöffchen probieren und wir nehmen gleich was von dem Rosé mit, der fast schon so dunkel aussieht wie ein Rotwein und dabei schmeckt wie Pflaumenkompott. Sehr lecker!! Wir dürfen auch noch gratis auf dem großen Gelände übernachten und bleiben sogar noch eine zweite Nacht, weil es so schön entspannend hier ist.

 

 

Der nächste Stopp liegt gar nicht weit und liegt in der Nähe von ALTAMURA auf einer bunten Blümchenwiese eines Privatgrundstücks. Die Zufahrt ist sogar mit blühenden Mandelbäumen und Trockensteinmauern gesäumt. Wie hübsch! Es scheint doch endlich mal der Frühling einzukehren, nachdem sogar der März fast schon vorbei ist!!! Juhu! Wir wollen jetzt mal in Ruhe überlegen, wann wir die Fähre nach Griechenland buchen wollen, sprich, was wir bis dahin hier in Apulien noch sehen wollen. Außerdem sind ein paar Tage Pause und nichts Neues sehen auch nicht schlecht. Die ganzen Erlebnisse der letzten Wochen dürfen auch mal Zeit haben, zu sacken. Das Wetter ist sowieso nicht so einladend. Es pladdert immer mal wieder und oft ziehen große, dunkle Wolken durch. Die Lücken mit Sonnenschein nutzen wir für ein paar Wanderungen durch die sehr weitläufige Landschaft aus.

Cristiano hier vom Haus ist super nett, total offen und plauderig, seine chinesische Frau sehr großzügig. Er zeigt uns noch seinen zum Camper umgebauten GMC-Van, der absichtlich aussieht, wie der des A-Teams, erzählt uns von seinen Asien-Reisen, freut sich darüber, was wir schon erlebt haben mit unserem Auto und drückt uns noch eine Tüte Fenchelkringel in die Hand! Hach wie schön! Es kann doch so nett und so einfach sein, einfach mal interessiert miteinander zu plaudern. Haben doch beide Seiten einen schönen Moment von!

 

 

Da wir es ganz schön fanden, mal wieder mehr Landschaft als Stadt um uns herum zu haben, wollen wir das an der Westküste des Stiefelhackens so fortsetzen und fahren über eine 6-spurige Autobahn fast alleine gen Süwest. Als die Autostrada wieder zur Landstraße wird, ziehen unendlich viele Olivenhaine, Weinfelder und sonstige Kulturlandschaften unter Sonne-Wolken-Mix an uns vorbei.

 

 

 

Diese Landschaft zieht sich durch, bis wir an einen einsamen Küstenspot nördlich von GALLIPOLI kommen. Dort stellen wir uns neben einen verlassenen Turm nur ein paar Meter vom Wasser entfernt und beobachten fasziniert, wie das durch den Wind aufgewühlte Meer gegen die Küstenfelsen mit ordentlich Gischt entgegenprallt. Die Wolken drapieren sich dramatisch dazu und bescheren uns bis einschließlich Sonnenuntergang einen herrlichen Anblick!

 

 

Morgens hat sich das Meer wieder beruhigt. Bewölkt ist es immer noch. Wir verweilen noch einen Moment, weil es es hier so schön entspannt ist.

 

 

Dann fahren wir aber doch auf die Ostseite Apuliens nach OTRANTO. In der Nähe liegt nicht nur nur eine ehemalige Bauxitgrube, gefüllt mit einem türkis-grünen See plus roten und ockerfarbenen Felsen drumherum, sondern auch noch ein schöner Küstenstreifen, der trotz des drohenden Regens zum Wandern einlädt. In Otranto selbst mit seiner alten Burg machen wir auch noch einen kleinen Schlenker. Ist ganz hübsch, würde aber bei heiterem Wetter sicher noch besser rüberkommen.

 

 

Ein anschließendes Highlight ist OSTUNI, eine weiß-beige Stadt auf einem Hügel. Sie kommt schon richtig griechisch rüber mit ihren weißen, grob verputzten Mauern, blauen Türen, verwinkelten Gassen, Treppen und Durchgängen sowie einiger herumstrolchender oder schlafender Katzen. Pizza und Pasta, die wir in der Mittagssonne verputzen, haben wir jeweils so wässrig noch nie gegessen, aber das tut dem Stadtbild keinen Abbruch. Nur so richtig für die Nacht doll stehen kann man hier nicht, also weiter.

 

 

An ganz fantastischen Olivenhainen kommt man ja hier immer vorbei! Ein Baum knorzeliger als der andere. Dazu entweder australisch rote Erde oder bunte Blumenwiesen. Schön!

 

 

Als Übernachtungsspot haben wir uns die Küste neben POLIGNANO A MARE ausgesucht. Es gibt einiges Hin und Her wegen wirrer Straßensperren und Baustellen. Selbst die Einheimischen wissen nicht mehr, wo sie nun langfahren sollen und es ergeben sich dadurch schon absurd wurschtelige Fahr- und Vorbeifahrsituationen. Wir dachten schon, wir würden gar nicht mehr an unserem Spot heute ankommen, schon gar nicht vor dem nahenden Sonnenuntergang. Aber dann endlich finden wir einen Weg und können doch noch direkt auf den Küstenfelsen stehend auf die Stadt blicken und dabei die Sonne versinken sehen.

 

 

Nach dem Frühstück gehen wir gleich mal gucken, wie es in dem Ort aussieht.

 

 

Danach ist es immer noch recht früh und es ist noch Zeit sich die TRULLI von ALBEROBELLO anzusehen. Das sind kleine weiße Häuschen mit zipfelmützenartigen Trockensteindächern. Angeblich, um die Dächer in früheren Zeiten ganz schnell wieder abdecken zu können, wenn die Steuereintreiber aus Neapel kamen. Kein fertiges Haus, keine Steuern. Heute stehen sie sowohl in einer größeren Ansammlung im Ort, aber auch als Haupthäuser von Höfen mit Olivenhain in dieser Gegend. Das ist schon ganz niedlich anzusehen und wir erkunden die Gassen.

 

 

Uns zieht es wieder zurück auf die Blumenwiese in der Nähe von ALTAMURA. Das war so nett da, auch mit den Hausbesitzern und der Platz liegt nicht weit von Bari entfernt, von wo aus die Fähre nach Griechenland ablegt. Cristiano uns seine Frau lassen uns sogar eine der beiden Übernachtungen allein auf ihrem Grundstück stehen, obwohl sie selbst ein paar Tage verreisen. Das ist ja super nett. Sie sagen, sie vertrauen uns, dass wir hier keine Dummheiten anstellen und brav das Tor wieder verschließen. Das war auf jeden Fall nochmal ein schönes Abschlusserlebnis, aber dennoch ruft bereits das nächste Land. Wir können es gar nicht abwarten rüberzukommen, denn irgendwie schwappt von dort über die Adria bis hierher ein Gefühl von mehr Offenheit der Leute und mehr Freiheit wegen der Wildcampingmöglichkeiten.

 

 

In BARI am Hafen sind wir erst noch skeptisch, ob das wohl alles klappt mit unserem Green Pass, da er ja hier abgelaufen, in Griechenland aber wieder gültig ist. Und da die Fähre griechisch ist, wir damit also bereits deren Boden betreten, müsste es klar gehen. Geht’s zum Glück auch. Zack, die Pässe, Kfz-Schein und die Buchung gezeigt, schon bekommen wir die Tickets rübergeschoben und noch ne gute Reise gewünscht! Geht doch zum Ende Italiens doch mal wieder was einfach mit dem Covid Pass…!

Nach einer Weile der Warterei, bis eine unendliche Menge an LKWs im Schiffsbauch verschwunden ist, bei der ich mich frage, wo die denn alle stehen sollen, sind auch wir dran. Im Rest des Tageslichts des 08. Aprils legen wir ab und die Sicht auf die schon erleuchteten Städte an der Küste entlang begleitet uns noch eine Weile. Das ganze Prozedere und auch die Tatsache, dass wir im Auto während der Überfahrt übernachten dürfen, erinnert uns absolut an die Fährfahrt von der Baja California zum Festland Mexicos. Dieses Mal ist es sogar gar nicht schaukelig, sondern total gemütlich und das Ganze wird eine entspannte Nummer.

 

 

FAZIT ITALIEN:

Aufenthalt: knapp 2 Monate
gefahrene km: 2.684 km
km gesamt: 38.207 km

Wir haben wirklich wunderhübsche, meist geschichtsträchtige Städte gesehen, malerische Landstriche bewundert, kunterbunt venezianischen Karneval gefeiert und auch durchaus ganz gut gegessen. Eingangs hatte ich die Klischees erwähnt, die man ja gern von diesem Land im Kopf hat. Hier mal eine Einschätzung dazu nach den 8 Wochen:

Dolce Vita: Ein Begriff, den Touristen erfunden haben müssen. Ein Zustand, den man sich selbst erschaffen muss, der uns nicht gerade durch die Einheimischen entgegenschwappt ist. Aber es ist auf jeden Fall alles da, um es sich so schön zu machen, wie man sich das ganz typisch vorstellt!

Temperament: Ich dachte immer, man würde sich hier sowohl lautstark freuen als ebenso ausdrucksvoll schimpfen. Wir haben wohl bis auf ein paar sehr positive Ausnahmen (!!!) eher Letzteres mitbekommen und dazu eine Verstimmtheit im Land empfunden, die eher leise und trotzdem irgendwie immer da war. Ob das jetzt einfach gerade eine Phase des Lands ist oder ein generelles Phänomen, können wir schwer beurteilen. So haben wir letztlich niemanden mal wirklich gut kennengelernt. Schade!

Chaos: Nee, eigentlich überhaupt nicht. Zuviele Speedlimits, zuviele Blitzer; Fußgänger, die brav bei Rot an der Ampel stehen bleiben; momentan noch strikte Corona-Regeln, auf deren Einhaltung meist penibelst geachtet wird. Also für ein Land, das ein paar Mal Berlusconi gewählt hat und dem sonst ein ganz anderer Ruf vorauseilt, war hier alles sehr regelfreudig.

Geschichte: Der Wahnsinn! Was hier mal alles los war, im Lauf der Jahrtausende und Epochen erbaut und dazu an Kunst erschaffen wurde!!! Sehr beeindruckend!

Pizza, Pasta & Co: Neben den beiden Klassikern, die wirklich auf jeder Speisekarte zu finden sind, gab es weniger Neues zu entdecken als erhofft.
@ Muddi: die besten Canneloni gibt’s sowieso bei Dir! Da halte ich’s dann mal ganz wie die Italiener: Bei Mama schmeckt’s doch am besten!

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Rhonda nilsson (Mittwoch, 01 Juni 2022 21:17)

    Hi Inga Hi Torben
    It’s Rhonda from Palenque
    Tellrhondayourstory@gmail.com